Geschichte der Astrologie

Die Astrologie (Sterndeutung, von altgr. ἄστρον astron ‚Stern‘ und λόγος logos ,Lehre‘) ist die Deutung von Zusammenhängen zwischen astronomischen Ereignissen bzw. Gestirnskonstellationen und irdischen Vorgängen insbesondere in Bezug auf den Menschen.

Die „westliche“ Astrologie hat ihre Ursprünge in vorchristlicher Zeit in Babylonien und Ägypten. Ihre in Grundzügen noch heute erkennbaren Deutungs- und Berechnungsgrundlagen erfuhr sie im hellenistisch geprägten griechisch-ägyptischen Alexandria. Aus ihr ging die Astronomie als deutungsfreie Beobachtung und mathematische Erfassung des Sternenhimmels hervor, und sie blieb lange Zeit als Hilfswissenschaft mit ihr verbunden.

In der Renaissance erlebte die gelehrte Astrologie eine Blütezeit, die bis in das späte 17. Jahrhundert andauerte.[25] Sie wurde vor allem an Höfen und an Universitäten gepflegt, wo sie mit der Astronomie und der Medizin verknüpft war. Der Schwerpunkt lag zunächst in Italien. Auch viele Päpste jener Zeit förderten die Astrologie, darunter Pius II., Sixtus IV., Leo X. und Paul III. Von Italien aus verbreitete sie sich dann in ganz Europa. Bedeutende Förderer im deutschsprachigen Raum waren die Habsburger.

Griechische Ausgabe des Tetrabiblos von 1535
Mit dem Aufkommen der Druckkunst setzte die Produktion zahlreicher populär-astrologischer Schriften wie Vorhersagen, Jahresprognosen, Almanachen und Darstellungen der astrologischen Medizin ein.[26] Besonderes Aufsehen erregten Vorhersagen aufgrund der Großen Konjunktion von 1484. Diese wurde als Ankündigung eines falschen Propheten und einer neuen heiligen Religion interpretiert, wobei letztere zu neuen Gesetzen führen würde, welche die Privilegien des Adels einschränken und den Armen helfen würden. Dies wurde später von Protestanten und Katholiken in entgegengesetzter Weise auf Martin Luther bezogen. Die Großen Konjunktionen wurden in der Folge auch zur vorausschauenden Datierung von Ereignissen verwendet, die in der Bibel vorhergesagt sind. Allerdings wendete die katholische Kirche sich gegen derartige Praktiken und setzte astrologische Schriften auf den Index, wohingegen die Astrologie sich in protestantischen Gegenden frei entwickeln konnte, obwohl Luther ihr kritisch gegenübergestanden hatte und Johannes Calvin sie ablehnte.

Zur Entwicklung der Renaissance-Astrologie trug bei, dass antike Schriften wiedergefunden wurden, die im Mittelalter unbekannt gewesen waren, und dass arabische und mittelalterliche Schriften in gedruckter Form Verbreitung fanden. Von besonderer Bedeutung war jedoch die Übersetzung des Tetrabiblos des Ptolemäus und des pseudo-ptolemäischen Centiloquiums aus den griechischen Originalen ins Lateinische in der Mitte des 16. Jahrhunderts.[27] Diese Übersetzungen bildeten die Grundlage einer reformistischen Strömung der Astrologie, deren bedeutendster Vertreter Gerolamo Cardano war und die sich in ganz Europa verbreitete. Man wollte die antike Astrologie, als deren bedeutendsten Exponenten man Ptolemäus ansah, vom arabischen „Aberglauben“ und von den Verlockungen der Magie befreien. Auch in der arabischen Welt entwickelte technische Neuerungen lehnten die „Ptolemäer“ ab.

Die sogenannte astronomische Revolution, der Übergang von der geozentrischen zur heliozentrischen Betrachtung des Universums, beeinträchtigte die Astrologie nicht.[28] Astrologen nahmen weiterhin die geozentrische Perspektive ein, und viele der Protagonisten der neuen Astronomie, darunter Nikolaus Kopernikus, Tycho Brahe und Johannes Kepler, betrieben zugleich astrologische Studien. Lediglich für die zugrundeliegenden Berechnungen wurde mit der Zeit das kopernikanische System übernommen.

Der ptolemäischen Richtung, die an die aristotelische Naturphilosophie anknüpfte, stand eine platonische und hermetische Interpretation der Astrologie gegenüber, wie sie von Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim, Paracelsus und Robert Fludd vertreten wurde.[28] Agrippa versuchte mit Hilfe der Astrologie in das Gewebe von Analogien einzudringen, das seiner Überzeugung nach die elementarische, die himmlische und die göttliche Welt verbindet. Eine dritte Richtung vertrat Kepler, der vor allem Fludd massiv kritisierte, aber zugleich Platons Auffassung des Kosmos als einem perfekt geordneten Ganzen aufgriff, in dem alles nach harmonischen geometrischen Proportionen geschaffen ist. Auf dieser Grundlage entwickelte er eine Theorie der Aspekte zwischen den Planeten entsprechend den wohlklingenden und missklingenden Akkorden in der Musik.

Ein astrologischer Almanach von 1761
Als sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Naturphilosophie zunehmend einer mechanistischen Betrachtung des Universums zuwendete, verloren die philosophischen Grundlagen der Astrologie an Plausibilität.[29] Dies führte zum Niedergang der gelehrten Astrologie, die bald an den Universitäten nicht mehr vertreten war, und hatte auch vermehrte Verbote der Ausübung der Astrologie zur Folge.

Im Zeitalter der Aufklärung distanzierten sich gebildete Kreise noch deutlicher von der Astrologie.[29] So bezeichneten Jean-Baptiste le Rond d’Alembert und Denis Diderot in ihrer Encyclopédie die Astrologie als einer Betrachtung durch vernünftige Menschen unwürdig, und Voltaire schloss sich dieser Auffassung an. Zu dieser Zeit waren Untersuchungen der Astrologie weitgehend auf Geheimgesellschaften beschränkt, in denen im 18. Jahrhundert eine Wiederbelebung der hermetischen Astrologie in Verbindung mit neuplatonischen und gnostischen Elementen erfolgte.

Im 19. Jahrhundert kam es speziell in England erneut zu einer Blüte astrologischer Studien, die sich an der ptolemäischen Richtung orientierten und sich vor allem mit technischen Aspekten und empirischen Überprüfungen befassten.[30] In Frankreich dagegen wurde die Astrologie erst im späten 19. Jahrhundert überwiegend in Geheimgesellschaften wieder gepflegt. Diese esoterische Astrologie wurde dann vor allem durch Eliphas Lévi und Papus popularisiert. Parallel entwickelte sich im englischen Sprachraum im Umfeld der 1875 gegründeten Theosophischen Gesellschaft eine esoterische Spielart der Astrologie, deren wichtigste Vertreter Sepharial und Alan Leo waren. Leos Lehrbücher trugen sehr zur Popularisierung der Astrologie bei.[31]

In Deutschland bewirkte Karl Brandler-Pracht um 1905 ein Wiederaufleben der Astrologie.[31] In den folgenden Jahrzehnten wurden dort diverse neue Ansätze entwickelt, von denen der erfolgreichste die »Theorie der Halbsummen« von Alfred Witte und Reinhold Ebertin war.

Die berühmteste Astrologin des frühen 20. Jahrhunderts war Evangeline Adams. Sie siedelte sich 1900 in New York an und beriet als Astrologin viele Personen, darunter auch Millionäre wie J. P. Morgan, den Sänger Enrico Caruso oder den britischen König Edward VII. 1914 wurde sie wegen Wahrsagerei angeklagt, jedoch freigesprochen.

In seinem 1926 erschienenen Buch Astrologie als Erfahrungswissenschaft legte Herbert von Klöckler eine statistische Untersuchung von Korrelationen zwischen astrologischen Faktoren und Ereignissen wie Unfällen, Morden, Selbstmorden oder Ehescheidungen vor. Zu den Unterstützern einer solchen „wissenschaftlichen“ Astrologie gehörten der Biologe Hans Driesch und der Paläontologe Edgar Dacqué.[32]

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war die Astrologie vorwiegend ereignisorientiert. Insofern sie sich mit dem Charakter von Personen befasste, geschah dies zumeist auf der Grundlage sehr einfacher Vorstellungen von der Persönlichkeit. Der Exponent der dann folgenden Hinwendung zur neueren Psychologie war Dane Rudhyar mit seinem Buch The Astrology of Personality (1936), in dem er die Astrologie mit Psychologie (Carl Gustav Jung) und Theosophie (Alice Bailey) verband.[31]

Darstellung des Tierkreises auf weißrussischen Briefmarken, 2008
Die an der Psychologie orientierte Astrologie steht Prognosen skeptisch bis ablehnend gegenüber und legt besonderen Wert auf die Willensfreiheit und die Entwicklungsmöglichkeiten des Menschen, während das Individuum teildeterministisch an seine astrologisch deutbaren Veranlagungen, Begabungen und Schwächen gebunden sei.[33] Die meisten Vertreter dieser Richtung beziehen sich auf Jungs Tiefenpsychologie, in der das Synchronizitätsprinzip eine bedeutende Rolle einnimmt. Ereignisse im Leben eines Individuums können „zufällig“ so mit Gestirnskonstellationen zusammenfallen, dass sich in der symbolischen Deutung sinnvolle Aussagen ergeben. Damit hat sich die Astrologie von der Idee einer kausalen Einwirkung astronomischer Faktoren auf den Menschen gelöst. Hans Driesch sprach von der Astrologie als einer Lehre „akausaler Korrelationen“.[34]

Seit den späten 1960er Jahren erlebt die westliche Astrologie einen ausgesprochenen Boom. Ein wesentlicher Auslöser war das Konzept des Wassermannzeitalters, wie es durch das Musical Hair bekannt wurde.[31] Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs findet sie auch zunehmend Anhänger im ehemaligen Ostblock, und im Zuge der Globalisierung verbreitet sie sich weltweit. (wikipedia)