Portrait: Malerin Manja McCade:
Magische Bilderwelten

Farben, wohin das Auge blickt. Leinwände, Pinsel, hohe Decken und Fenster, die viel Licht in den Raum werfen. Dazu ein leichter Geruch von Lösungsmitteln, der jedoch nicht unangenehm in die Nase steigt. Und Bilder, wunderschöne Bilder, die fertig gestellt und sauber aufgereiht an den Wänden lehnen, als hätten sie sich zur Begrüßung zum Spalier geformt. Noch staunend ob dieses künstlerischen Szenarios, werden meine Gedanken durch eine helle Stimme unterbrochen. „Willkommen in meinem Reich“, klingt es fröhlich durch das Atelier. Manja McCade, Malerin und Hausherrin dieser beeindruckenden Location, wischt rasch die Farbe von ihren Händen, die sie mir herzlich entgegenstreckt. „Sorry, ich war so versunken in der Arbeit.“ Ein Blick auf die auf den Boden liegende Leinwand, die sich gerade mit tiefem Rot, Blau und Gelb zu füllen beginnt, lässt mich sofort begreifen, dass hier viel Leidenschaft am Werk ist.

Trotzdem unterbricht die Künstlerin ihre Schaffensphase, um sich bei einem köstlichen Tee meinen neugierigen Fragen zu stellen. Meine erste, ob es denn so mitten im künstlerischen Prozess überhaupt passen würde, beantwortet die Wahl-Leipzigerin mit einem Lächeln. „Natürlich, alles gut.“ Sonst hätte sie sich wohl auch nicht von der Leinwand gelöst, werfe ich fragend ein. „Nein“, kommt es immer noch lächelnd zurück. Und schon sind wir im Thema. „Wie entsteht so ein Bild? Gibt es einen Plan, hast Du die Bilder im Kopf, bevor Du sie auf die Leinwand bringst?“ „Meistens nein“, erklärt Manja. „Ich lasse mich leiten. Die Bilder sind Aufnahmen der Momente, in denen ich gerade stehe. Während ich male, verändert sich das Bild. Es ist ein Prozess, durch den das Bild und ich gemeinsam gehen.“

„Meine Bilder muss man sich erarbeiten.“

"Richter Scale" von Manja McCade
„Richter Scale“ von Manja McCade

Manjas Bilder spiegeln diese Momente auf eine sehr komplexe Weise wieder. Die Farben sind mal laut, mal leise, die Pinselführung mal abstrakt, mal expressionistisch und dann wieder ganz anders. Aber immer unendlich faszinierend in ihrer individuellen Schönheit. „Meine Bilder muss man sich erarbeiten“, lächelt die 41-Jährige, die von Kritikern und Kunstprofessoren zurzeit mit Lob förmlich überschüttet wird. Dabei war der Weg zur Malerei und ihrem jetzigen Erfolg durchaus steinig und ebenso ungewöhnlich wie ihre Bilder.

Schon in der Schule, damals noch zu DDR-Zeiten, beeindruckte sie ihren Kunstlehrer, der „zum Glück“, wie Manja heute sagt, als unangepasst gegenüber dem Regime galt. „Dieser wunderbare Mann hat nicht nur mein Talent erkannt, sondern mich auch sehr gefördert“, erzählt Manja. Sie wurde zur Aufnahmeprüfung an der anerkanntesten Kunstakademie der DDR zugelassen und bestand diese mit Auszeichnung. Doch dann kam alles anders. „Die Mauer fiel und damit war zwar nicht der Studienplatz weg, aber es boten sich so viele neue Möglichkeiten, dass ich damals, wie ich heute weiß, meine Kunst unterdrückte und in den Westen ging, um eine Berufsausbildung zu machen.“ Sie hatte Erfolg. Doch schließlich kündigte sie ihren hoch dotierten Posten in einem großen Konzern und kehrte der Karriereleiter den Rücken. Ein mutiger Schritt. „Und wahrlich kein leichter“, so die Künstlerin. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Musikproduzenten Keith McCade, wagte sie den Neuanfang in Leipzig, einer Stadt, in der sie immer leben wollte.

„Meine Spiritualität hat mir geholfen, meinen Weg zu gehen.“

"The Undefinable" von Manja McCade
„The Undefinable“ von Manja McCade

„Dass ich malen wollte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht“, erzählt Manja. „Keith und ich standen in unserer neuen Wohnung und starrten auf die leeren Wände. Wir brauchen dringend Bilder, sagten wir uns und ich meinte lapidar, ich kann ja auch eins malen.“ Gesagt, getan. Manja ging in einen Bastelladen und kaufte eine kleine Leinwand, Farben und Pinsel und malte ihr erstes Bild seit 15 Jahren. „Als Keith das sah, rannte er plötzlich raus und kam erst nach Stunden wieder“, lacht Manja. Im Gepäck hatte er bei seiner Rückkehr Staffelei, Leinwände, Farben und Pinsel. „Das war wie eine Befreiung“, sagt Manja und ihre Augen leuchten dabei. „Ich habe damals 30 Bilder in ganz kurzer Zeit gemalt. Es musste all das raus, was ich jahrelang unterdrückt habe.“ Mit den Bildern Geld zu verdienen, stand dabei nicht auf dem Lebensplan. Neben Lob und Anerkennung, gab es durchaus auch harsche Kritik und sogar Spott aus dem Freundeskreis. Manja nickt: „Ja, Sprüche wie ‚das machst du jetzt also auch noch` waren durchaus noch das harmloseste, was ich zu hören bekam.“ Doch Manja ließ sich nicht beirren. „Es ist auch ein großer Lernprozess, durch den ich da gehen musste. Meine Spiritualität hat mir dabei sehr geholfen.“ Diese hat Manja sozusagen in die Wiege gelegt bekommen. Seit Generationen wird Spiritualität in der Familie gelebt. „Ich wusste, ich bin auf dem richtigen Weg und habe so gelernt, an mich zu glauben und Menschen aus meinem Leben zu entfernen, die das eben nicht tun.“

Großer Erfolg in London brachte den Durchbruch

"Nowhere to go" von Manja McCade
„Nowhere to go“ von Manja McCade

2015 kam der Durchbruch. Eine britische Galerie schrieb einen Wettbewerb aus, an dem Manja sich „aus Spaß“ beteiligte. Zum Thema „Flüchtlinge in Europa“ erschuf sie mit ihrem Bild „Nowhere to go“ ein intensives Kunstwerk, das die Juroren in London begeisterte. Die daraus folgende Ausstellung ihres Bildes in einer der bekanntesten Galerien in London machte Kunstexperten in aller Welt auf die Künstlerin aufmerksam. „Ich war so stolz, dass ich das alles ohne Studium und gegen viel Widerstand geschafft hatte“, erzählt Manja, die damit auch ihren persönlichen Knoten platzen lassen konnte. Endlich befreit von Selbstzweifeln folgte sie ihrer Berufung und schuf seither nicht nur wunderschöne Bilder, sondern kann mittlerweile von ihrer Kunst leben. Dabei übernimmt sie auch Auftragsarbeiten, wie kürzlich die Darstellung der Mutter Maria für die katholische Gemeinde Zschopau im Erzgebirge. Ein fremdes Terrain, das sie mit ihrem Mut und ihrem Talent schnell erobern konnte.

Ihr Herz hängt jedoch an den ungewöhnlichen, intensiven Bildern, die für sie Werkzeug ihrer Spiritualität sind. „Ich male ja nicht, weil ich spirituell bin“, lacht Manja. „Meine Bilder sind Ausdruck meiner Spiritualität und das Schöne daran ist, meine Bilder machen etwas mit Dir!“

Am 1. Oktober 2017 wird ihre erste Ausstellung in der „Rose Galery“ in Leipzig eröffnet. Dann kann jeder seine eigenen Erfahrungen mit Manja McCades Bildern machen. Es werden bestimmt ganz wunderbare sein. Versprochen.

Das Interview führte Claudia Bonvie